
Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße
Die AVUS in Berlin ist nicht nur eine der ältesten Rennstrecken Deutschlands, sondern auch die erste reine Autostraße der Welt, die für den öffentlichen Verkehr konzipiert und gleichzeitig als Rennstrecke genutzt wurde. Ihre Geschichte ist eng mit der Entwicklung des Automobils und des Motorsports in Deutschland verbunden.
Eine visionäre Gründung und frühe Jahre
Die Idee zur AVUS entstand bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ziel war es, eine Straße zu schaffen, auf der Automobile unter realen Bedingungen getestet und präsentiert werden konnten, abseits des immer dichter werdenden Stadtverkehrs. Die Initiatoren, darunter die Automobilindustrie und die Stadt Berlin, sahen in der AVUS auch eine Möglichkeit, den Motorsport als Zuschauermagnet zu etablieren.
Nach langen Planungsphasen begann der Bau der AVUS im Jahr 1913. Die Fertigstellung wurde jedoch durch den Ersten Weltkrieg verzögert und konnte erst 1921 erfolgen. Die ursprüngliche Strecke war eine 9 Kilometer lange, schnurgerade Betonpiste mit zwei langen Geraden, die durch zwei Kurven miteinander verbunden waren – eine nördliche und eine südliche Kehre. Zunächst waren diese Kurven einfache Pflasterkurven, die später durch steilere Überhöhungen ersetzt wurden.
Die feierliche Eröffnung und das erste Rennen fanden am 24. September 1921 statt. Damit war die AVUS die erste nur für Kraftfahrzeuge gebaute Straße der Welt und diente sowohl als Versuchsstrecke als auch als Rennkurs.
Die AVUS als Rennstrecke: Geschwindigkeit und Gefahr
In den 1920er und 1930er Jahren wurde die AVUS zu einem Magnet für den internationalen Motorsport. Ihre einzigartige Streckenführung, die fast ausschließlich aus langen Geraden bestand, ermöglichte extrem hohe Geschwindigkeiten. Dies führte zu spektakulären Rennen, zog aber auch ein hohes Risiko mit sich.
Ein herausragendes Merkmal war die Nordschleife, die 1937 zu einer hoch überhöhten Steilwandkurve (oft als „Betonschüssel“ bezeichnet) ausgebaut wurde. Mit einem Neigungswinkel von 43 Grad war sie extrem anspruchsvoll für Mensch und Material und ermöglichte es den Fahrern, die Kurve ohne Geschwindigkeitsverlust zu durchfahren. Die Südkurve blieb eine flache Wende. Durch diese Konfiguration ergab sich eine extrem schnelle Strecke von 8,3 Kilometern Länge (einmal Nord- und einmal Südkurve befahren) oder eine 19,6 Kilometer lange Strecke, wenn beide Kurven doppelt befahren wurden.
Berühmte Fahrer wie Rudolf Caracciola, Bernd Rosemeyer und Manfred von Brauchitsch feierten hier Triumphe in ihren „Silberpfeilen“ von Mercedes-Benz und Auto Union. Die AVUS war Schauplatz von Grand-Prix-Rennen, Sportwagenrennen und Motorradrennen. Die Geschwindigkeitsrekorde, die auf der AVUS aufgestellt wurden, waren legendär und trugen zum Mythos der Strecke bei.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Rennbetrieb auf der AVUS wieder aufgenommen. Sie war in den 1950er Jahren Teil der Formel-1-Weltmeisterschaft, unter anderem 1959. Doch die immer schneller werdenden Autos und die mangelnden Auslaufzonen führten zu zunehmenden Sicherheitsbedenken. Die hohe Geschwindigkeit und die extrem lange Gerade forderten von den Fahrern höchste Konzentration und forderten oft ihren Tribut.
Das Ende einer Renn-Ära und heutige Nutzung
Mit dem Aufkommen moderner Rennstrecken, die mehr Kurven und bessere Sicherheitsstandards boten, verlor die AVUS an Bedeutung. Das letzte große Automobilrennen fand 1968 statt, danach wurden nur noch kleinere Veranstaltungen und Tourenwagenrennen ausgetragen. Das letzte Motorradrennen folgte 1971. Der Umbau der Nordschleife für den öffentlichen Verkehr in den 1980er Jahren läutete das endgültige Aus für den Rennsport ein. Die charakteristische Steilkurve wurde 1989 abgerissen.
Heute ist die AVUS ein Teil der Bundesautobahn A115 und dient weiterhin dem öffentlichen Verkehr zwischen dem Berliner Stadtring (A100) und dem Dreieck Funkturm. Die ehemaligen Tribünen und der Kontrollturm am nördlichen Ende der Strecke sind als denkmalgeschützte Gebäude erhalten geblieben und zeugen von ihrer glorreichen Vergangenheit.
Obwohl auf der AVUS keine Rennen mehr stattfinden, bleibt sie ein bedeutendes Stück Verkehrs- und Motorsportgeschichte. Sie erinnert an eine Zeit, in der Ingenieurskunst und fahrerisches Können auf einer der schnellsten und gefährlichsten Rennstrecken der Welt auf die Probe gestellt wurden.